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Hugo Staehle (1826 - 1848)

Aus der Festschrift 2014
von Dr. Wolfram Boder

Seit 2004 veranstaltet der Förderverein Louis-Spohr-Stiftung alle zwei Jahre das Internationale Hugo-Staehle-Festival für Junge Pianisten. Mit Hugo Staehle als Namenspatron soll in erster Linie ein Kasseler Musiker geehrt werden, dessen hoffnungsvolle Karriere leider durch einen viel zu frühen Tod jäh abgebrochen wurde. So geriet er zu Unrecht in Vergessenheit und es ist ein Anliegen der Namenswahl, ihn wieder in Erinnerung zu rufen. Zum anderen aber verweisen viele Umstände in Staehles Leben auf die Ideale, die dieses Festival ebenso prägen wie die Louis-Spohr-Stiftung, die es mitträgt.

Staehle war nämlich einer der begabtesten Schüler Louis Spohrs. Dessen pädagogisches Wirken und die ihm zugrunde liegenden Prinzipien können bis heute allen Musikpädagoginnen und Musikpädagogen als leuchtendes Vorbild dienen. Schließlich sind Spohrs über 200 Schülerinnen und Schüler der Musikwissenschaft bis heute als die so genannte Kasseler Schule bekannt. Und nicht nur das, sie prägten auch das Musikleben Deutschlands und Europas im späten 19. Jahrhundert nachhaltig.

Zu den pianistisch begabten Schülern Louis Spohrs zählte auch Hugo Staehle, der 1826 als Sohn eines kurhessischen Offiziers in Fulda geboren wurde. Schon früh erhielt er auf Veranlassung der Mutter Klavierunterricht. Als Glücksfall für die musikalische Entwicklung Staehles erwies sich die 1829 erfolgte Versetzung seines Vaters nach Kassel. Hier erhielt er Klavierunterricht durch den Spohrschüler Wilhelm Deichert. Ab 1839 wurde er von Moritz Hauptmann in Kassel unterrichtet, der seinem ehemaligen Lehrer Louis Spohr bei der Ausbildung seiner Schüler assistierte. Nach 1842 übernahm Spohr neben dem Violin- auch den Kompositionsunterricht des hoffnungsvollen jungen Musikers selbst, der gleichzeitig schon selbst als Klavierlehrer tätig wurde. Spohr scheint Staehle sehr geschätzt zu haben und ließ in zeitweilig sogar bei sich wohnen.

Staehle machte auch schon bald durch seine Kompositionen auf sich aufmerksam. Um seinen Horizont zu erweitern, wurde er 1843 nach Leipzig geschickt, wo er Klavierunterricht bei Louis Plaidy und Violinunterricht bei dem ehemaligen Schüler Spohrs Ferdinand David nahm. Dennoch war die Zeit in Leipzig keine glückliche, sondern vielmehr von Einsamkeit und Melancholie geprägt, was sicherlich auch seinen Grund in Staehles Charakter hatte. Franz Uhlendorff schreibt dazu in den „Lebensbildern aus Kurhessen und Waldeck“:

„Er war – wie Robert Schumann, mit dem er manche Aehnlichkeit gehabt haben muß – eine ganz nach innen gekehrte Natur, ein Schweiger von ernstem, an das Finstere grenzenden Wesen, dessen tiefes, ja weiches Gemüt nach außen nicht hervortrat. Schon als Kind zeigte er sich abgeschlossen, auch in späterer Zeit vernahmen die Seinen bis zu seiner letzten Krankheit kein zärtlich liebevolles Wort von ihm. Die gesellschaftliche Konvenienz mißachtete er, nur in seiner Musik und im Umgang mit seinen nächsten Freunden erschloß sich neben seinem sehr scharfen und logischen, energischen Verstande ein für die zartesten Eindrücke empfängliche Seele. Doch selbst sein späterer Intimus Jacob Hoffmeister klagt, daß es ihm nie gelungen sei, Staehle „ein Wort der Liebkosung oder Zärtlichkeit“ zu entlocken, daß dieser vielmehr auch ihm immer „eine ungewöhnliche Passivität und Kälte gegenübergesetzt“ habe. Sprach er aber einmal, besonders über Kunstangelegenheiten, so zeigte er neben strengster Wahrheitsliebe ein durchdachtes, bestimmtes und rücksichtslos unbestechliches Urteil, dem übrigens eine unerbittliche Selbstkritik entsprach (nach eigener Aeußerung hatte er nie eine ungetrübte Freude an seiner Musik, das Kriterium des wahren Künstlers!). Nie auch ist eine Schmeichelei über seine Zunge gekommen, wie er andererseits ein kritikloses bloßes Lob seiner eigenen Sachen durch andere verachtete.“

Im März 1844 kehrte Staehle nach Kassel zurück. Hier entstanden auch zahlreiche Klavierstücke. Zu Lebzeiten Staehles wurden nur wenige seiner Werke gedruckt. Ein Band mit Klavierstücken, die Albumblätter op. 3, erschien 1848 bei Schuberth in Hamburg, wo auch sein Klavierquartett in A-Dur gedruckt wurde; der Kasseler Verlag Luckhardt brachte 1848 einen Band mit drei Scherzi für Klavier heraus.

Gemeinsam mit seinem besten Freund, dem „Muss-Juristen“ und Kasseler Literaten Jakob Hoffmeister, der das Libretto verfasste, arbeitete Staehle auch an einer Oper. Die Uraufführung seiner „Arria“ durch Louis Spohr im Kasseler Hoftheater am 24. Mai 1847 erlebte Staehle noch. Doch kaum ein Jahr später, am 29.März 1848, verstarb er im Alter von nicht einmal 22 Jahren an Hirnhautentzündung. Das Schicksal meinte es wahrlich nicht gut mit diesem begabten jungen Mann. Auch zu Lebzeiten hatte er es oft nicht leicht, was nicht zuletzt auch an seiner sehr konsequenten und selbstkritischen Art lag. Diese zeigt sich deutlich im folgenden Ausschnitt eines Briefes an seine Eltern vom 30. Dezember 1844: „wer meine Sachen loben will, der muß auch wissen, was daran zu rügen ist!“

Nach Festivals in Hann. Münden 2004 und Baunatal 2006 veranstaltete die Louis-Spohr-Stiftung in Kooperation mit der Musikakademie Kassel im Oktober 2006 das 3. Internationale Hugo-Staehle-Festival in Kassel und Baunatal, für das Dozenten aus Paris, London, jungen Pianistinnen und Pianisten die Möglichkeit zu kostenlosen Meisterkursen bei international renommierten Pianisten und Pädagogen zu bieten. Unterstützt wird das Festival dabei von der EPTA, der European Piano Teachers Association. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden bei Gastfamilien untergebracht. Alle Dozentinnen und Dozenten sowie die Organisatoren arbeiten ehrenamtlich. Neben dem Unterricht bei anerkannten Fachleuten profitieren die jungen Pianistinnen und Pianisten aber auch von der Möglichkeit, sich – zum Teil auch gemeinsam mit den Lehrern – vor einem größeren Publikum zu präsentieren. Für musikalische Sternstunden sorgt immer wieder auch das traditionelle Dozentenkonzert des Festivals, das beim V. Internationalen Hugo-Staehle-Festival im Oktober 2012 im Elisabeth-Selbert-Saal des Bundessozialgerichts in Kassel stattfand. Zu diesem Festival gehörte auch eine Expedition in den Harz, bei der im Spohr-Saal des Städtischen Museums Seesen auch ein Konzert auf historischen Instrumenten auf dem Programm stand.

Die Tatsache, dass im Oktober 2014 bereits das sechste Internationale Hugo-Staehle-Festival ansteht, bezeugt den großen Erfolg dieser außergewöhnlichen musikalischen Jugendarbeit. Er verdankt sich in besonderem Maße auch dem großen persönlichen Engagement von Elena und Iwan Urwalow, die das Festival seit nunmehr zehn Jahren leiten und organisieren.

Wolfram Boder

[Dr. Wolfram Boder hat 2014 in der Reihe der von der Louis-Spohr-Stiftung verlegten

  • Spohr Schriften Heft 6 „Hugo Staehle: Walzer, Introduktion, Thema und Variationen, Drei Scherzi
    herausgegeben- 2015 folgten in
  • Spohr Schriften Heft 9 „Hugo Staehle: Militärmärsche für Klavier“.]

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