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HNA vom 26. Juli 2010

Haydn mit viel Gefühl
Julia Rinderle beim Klavierfestival

Von Georg Pepl

Sandershausen. Toll, dass eines der sympathischsten Festivals der Region so gut ankommt. Knapp 300 Zuhörer waren am Freitag zum Auftritt von Julia Rinderle beim Niestetaler Klavierfestival geströmt - der bisherige Rekord. Ein Teil des Publikums, der durch geöffnete Türen im Kirchhof lauschte, erlebte ein feines Freiluftkonzert.

Julia Rinderle, die an der Musikhochschule Hannover bei dem gebürtigen Kasseler Prof. Roland Krüger studiert, hatte im Juni in Kassel den Louis-Spohr-Wettbewerb gewonnen. Spohr fehlte auch diesmal nicht, da Rinderle in der Zugabe mit dem Rondoletto op. 149 ihren Charme spielen ließ. Doch zuvor herrschte die große musikalische Form vor, denn es gab Bachs Chromatische Fantasie und Fuge sowie Sonaten von Beethoven (As-Dur, op. 110), Haydn (h-moll) und Schumann (g-moll, op. 22).

Tiefgründiges Finale
Eindrucksvoll, wie die 20-Jährige das tiefgründige Finale von Beethovens Sonate bewältigte. Gesanglichkeit, sensibler Anschlag, organischer Spielfluss und souveräne Fugen-Disziplin belegten Rinderles hohe Musikalität. Dass ihr Spiel eher zum Empfindsamen neigt, machte insbesondere Haydns h-moll-Sonate deutlich. Als Sturm und Drang wird deren erster Satz oft aufgefasst. Hier kam er dagegen recht langsam daher, gefühlvoll, fast zu schön, um wahr zu sein.

Im Lauf des fordernden Programms fielen auch kleine Unkonzentriertheiten und Schrecksekunden auf, etwa in der Mitte von Bachs Fuge. Umso überzeugender war freilich die Grundhaltung der Barock- Interpretation: Kein gnadenlos treibender Maschinenpuls, sondern ein frei atmendes, dabei nicht überzogen romantisches Musizieren. Ein menschlicher Blick auf den Thomaskantor.

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